DIE GRABMÄLER DES HISTORISMUS UND DER REFORMKUNST

Grabmal für den Garnisonprediger Emil Frommel

 

Wachsender Wohlstand der gründerzeitlichen Gesellschaft ließ ab 1860 den Wunsch nach stärkerer äußerer Repräsention auch auf Friedhöfen entstehen. Aufwendige Grabanlagen in großer Formenvielfalt, kostbarem Material und reichem Skulpturenschmuck wurden üblich, besonders bei Mausoleen und Grüften. Der Einfluß der klassizistischen Kunst blieb jedoch in der Friedhofsarchitektur länger lebendig als im profanen Bereich. Elemente des Klassizismus, der Neurenaissance und des Neubarock wurden im Sinne einer malerischen Architektur zusammengefügt, ohne die dem Ort angemessene Würde aufzugeben. Nach 1905 entwickelte sich gegen diesen Prunk eine Reformbewegung, die neben der Aufnahme des Jugendstils den formreduzierten Neuklassizismus befürwortete.

Auf dem Garnisonfriedhof haben sich wenige Beispiele beider Stilphasen erhalten. Das antikisierende Säulenmonument der Familie Greiffenberg, um 1880 aus weißem Marmor errichtet, führt gleichermaßen Wohlstand und mit einer reichen Jenseitssymbolik die Bildungsbeflissenheit der Auftraggeber vor. Naturalistische Porträts unterstreichen wie bei dem im Auftrag der Logenbrüder nach 1882 errichteten Granitgrabmal für G. A. v. Ziegler die angestrebte Verbindung von privatem Erinnerungsmal und öffentlichem Denkmal. Das mittelalterlichen Wegekreuzen nachgestaltete Grabmal für E. Frommel ist ein späthistoristisches Hauptwerk der christlichreligiösen Sepulkralplastik in Berlin. Die Grabmäler für A. Boguslawski (1905), für C. Kruge (1914) mit einem schönlinigen Relief einer weiblichen Trauernden und für A. Winckler mit einem eingelassenen bronzenen Porträtrelief zeigen dagegen in ihrer formal strengen Gestaltung deutlich den Einfluß der Reformkunst.

 

Grabmal Kruge, Fritz Klimsch zugeschrieben

Die Grabmale des Historismus

Gerade aus der für die Berliner Begräbnisplätze so fruchtbaren Zeit von der Gründung des II. Deutschen Kaiserreichs 1871 bis zur Jahrhundertwende sind nach dem Abriß sämtlicher Mausoleen und Wandgräber in den 1960er und 1970er Jahren nur noch wenige bedeutende Grabmale auf dem Alten Garnisonfriedhof erhalten geblieben. Die überkommenen Grabdenkmale illustrieren aber noch immer eindrucksvoll mit ihrem neubarocken Formenreichtum das Schmuckbedürfnis einer zu Wohlstand gekommenen bürgerlichen Schicht. Formenvielfalt und das Zusammenfügen verschiedenfarbiger und -artiger Materialien sind typische Kennzeichen dieser, auf malerischen Effekt ausgerichteten Kunst des Späthistorismus.

Ein frühes und besonders reiches Beispiel für die historistische Grabkunst ist mit dem weißmarmornen Grabmal der Familie Greiffenberg/Giersch de Rège (nach 1870?) erhalten geblieben. Auch dieses, auf den ersten Blick klassizistisch anmutende Grabmal, lebt ganz vom malerischen Effekt, der hier verspätete Ruinenromantik mit der modernen Selbstdarstellung einer erfolgreichen Familie verbindet.

Die Verwendung des kostbaren weißen Carrara-Marmors und die Größe der ehemals von einem schmiedeeisernen Gitter eingefaßten Gruft verweist auf den Wohlstand der Auftraggeber. Das Motiv der drei auf einem Unterbau (Stylobat) aufgestellten, ein Gebälkstück stützenden Säulen mit den korinthisierenden Kapitellen ist nicht nur einfach ein freies, rein dekoratives Antikenzitat nach römischen Prunkbauten, wie bei dem in der überkommenen Gestalt aus dem 6. Jahrhundert stammenden Castor- und Polluxtempel auf dem Forum Romanum oder dem unter Domitian errichteten Vespasian/Titus-Tempel, sondern Hinweis auf die klassische Bildung der hier Beigesetzten.

Der Architravbalken dient zur Aufnahme von vier Porträtreliefs in antikisierender Rundform. Büsten und Porträttondi sind nicht nur Erinnerungshilfe für die Hinterbliebenen, sondern Hinweis auf den gesellschaftlichen Stand der Auftraggeber. Die Verstorbenen treten dem Betrachter modisch frisiert und ebenso modisch und reich gekleidet vor Augen. Die durchaus idealisierte, trotzdem lebensnahe Wiedergabe der Gesichter, scheint geradezu der üppigen Todessymbolik (Rosen und Mohnkapseln in der Reliefrahmung und in den Kapitellen), mit der gerade das Grabmal Greiffenberg geschmückt ist, zu widersprechen. Die in der unteren Architravzone eingemeißelte Inschrift nennt die drei christlichen Kardinaltugenden: Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung und Liebe, deren Symbole Kreuz-Herz-Anker mittig zwischen den Tondi im Relief dargestellt sind. Hier ist der einzige Hinweis auf die - protestantische - Religion der Verstorbenen gegeben. Die plastische Wiedergabe des Bibelzitates ist eine typische Erscheinung einer Zeit, der das Verständnis für die christlich-religiöse Kunst vor der Französischen Revolution verlorengegangen war und die nach neuen Ausdrucksformen in der Darstellung des christlichen Glaubens suchte.

Der entwerfende Künstler des Grabmals Greiffenberg ist nicht bekannt, die Ausführung lag vermutlich in den Händen der von Matthias Leonhard Schleicher (1830-1872) 1853 gegründeten Steinmetzwerkstatt Schleicher & Sohn, die, neben unzähligen weiteren Grabarchitekturen in Berlin, auch das Mausoleum Schultze-Zitelmann ausführte.

Rückgriffe auf die Kunst des Klassizismus waren auch ansonsten nicht ungewöhnlich, wie es das nach 1978 abgeräumte Wandgrab für den Fabrikanten und Leutnant der Landwehr Fritz Steinrück (1864-1913) zeigt. Vor einer monumentalen, mit schwarzem Granit verkleideten, romanisierenden Grabwand war, hinterfangen von einer Blendnische, eine weißmarmorne Replik der von Bertel Thorwaldsen 1821 für den Hauptaltar der Kopenhagener Frauenkirche geschaffenen Christusfigur aufgestellt.

Nach 1870 wurde diese Figur, nach dem Wort des Berliner Kunsthistorikers Peter Bloch (1925-1994) die einzige religiöse Bilderfindung des 19. Jahrhunderts von Rang, in den unterschiedlichsten Größen und Materialien von verschiedenen Reproduktiosfirmen angeboten. Die dem Motiv der Figur zugrunde liegenden Christusworte: Lasset die Kindlein zu mir kommen und Kommet her zu mir, alle die ihr mühselig und beladen seit / Ich will Euch erquicken, sprachen mit ihrem tröstenden Inhalt gerade die Menschen an, deren konservatives Weltbild durch die gewaltigen

gesellschaftlichen Umwälzungen im 19. Jahrhundert ins Wanken geraten war, und die nun wieder in der Religion, insbesondere in der für die christlichen, karitativen Tugenden stehende Person des Erlösers Jesus, Halt suchten. Gerade in der Zeit um 1900, als die Euphorie eines Zeitalters, dem alles machbar erschien, unter dem Eindruck einer zunehmenden sozialen Verelendung der Massen und der immer kritischer werdenden außenpolitischen Situation erheblich nachließ, ist eine Zunahme von Christusdarstellungen zu verzeichnen. So ist es nicht verwunderlich, daß allein in Berlin unzählige weitere Kopien der Figur Thorwaldsens oder daran angelehnte Umformungen auf den Friedhöfen Aufstellung fanden. Das verschollene Marmorwerk vom Alten Garnisonfriedhof gehörte darunter zu den kostbarsten.

Ein in vielerlei Hinsicht interessantes Denkmal aus der Kaiserzeit ist das Grabmal für den General und Logenmeister Gustav Adolf von Ziegler (1808-1882). Form und Bildersprache verweisen hier weniger auf Zieglers militärischen Stand, sondern auf seine Funktion innerhalb der Freimaurer-Loge, die anstelle von Zieglers Sohn, des benachbart beigesetzten Obersten Gustav Adolph von Ziegler (1854-1902), auch den Grabmalsauftrag vergab. Das über quadratischem Grundriß aus rötlich-braunem Granit gefügte Mal besteht aus drei sehr unterschiedlich gestalteten Hauptzonen. Die untere, ein leicht nach oben verjüngter, altarähnlicher Block, birgt die Inschriften - vorne stehen Namen und Daten des Verstorbenen, rückseitig: Gott vor Augen / Wahrheit auf der Zunge / Brüderliebe im Herzen. Die Seiten schmücken in Ritzzeichnung gegebene Lorbeerzweige. Im oberen, halbrund in die zweite Zone hineinragenden Bereich, sind zwei Tondi aus weißem Marmor eingelassen. In profilierter Rahmung ist vorne das naturalistisch-neubarocke Reliefprofilporträt des Geehrten eingesetzt, auf der Rückseite liest der Betrachter in Kapitalen: Auf Wiedersehn!

Auf den Ecken des darunterliegenden Blocks lagen, die Köpfe gerade in die jeweilige Himmelsrichtung erhoben, vier vermutlich in Bronze gegossene Sphingen (Löwenrumpf mit den Brüsten und dem Kopf einer Frau). Bereits in der christlich-mittelalterlichen Kunst Italiens dargestellt, symbolisierten die der ägyptischen Kunst entlehnten Fabelwesen "Weisheit" und "Wahrheit". In der sepulkralen Kunst des 18. Jahrhunderts dienten sie, ähnlich der Pyramide, auch als Verweis auf menschliche Ewigkeitswerke und auf den hochkultivierten Totenkult der alten Ägypter. Am Grabmal von Ziegler sind sie, entsprechend der rückseitigen Inschrift, als

Wahrheits- und Weisheitssymbole zu interpretieren, Eigenschaften, die einem Meister der Freimauerloge gut zu Gesicht stehen. Die Vierzahl entspricht dem Anspruch nach Strahlkraft der Loge, die ihr Wirken in alle Himmelsrichtungen auszurichten bestrebt ist. Ziegler wird somit als integrer Vermittler der Logenideale geehrt. Ebenfalls in Bezug zu dieser Funktion ist der quadratische Block anzusehen, der die dritte Zone des Grabmals ausmacht. Wie schon 1777 der Kubus des Altars der "Agathe Tyche" in des Freimaurers Johann Wolfgang von Goethes Weimarer Garten die Erde bedeutet - die darauf aufliegende Kugel hingegen das Kosmische - wird auch hier an eine ähnliche Interpretation zu denken sein. Der oberste Stein ist mit dem Eisernen Kreuz und mit dem Zeichen der Freimaurer geschmückt: Zirkel und Senkblei - zum Ausmessen der Welt und Ausloten der Wahrheit.

Ein weiteres, bedeutendes Werk der historischen Grabmalskunst ist auf dem Alten Garnisonfriedhof mit dem Grabdenkmal für den Schriftsteller und Prediger der Berliner Garnison, Emil Wilhelm Frommel (1828-1896) und seiner Frau Amalie (1833-1915), erhalten geblieben.

Das 1896 eingerichtete Erbbegräbnis Frommel im Grabfeld IV liegt an einer exponierten Stelle. Ursprünglich mündeten hier verschiedene Erschließungswege des Friedhofes in einen kleinen, im Grundriß unregelmäßigen Platz ein. Das durchaus monumentale Grabmal fügt sich in ein bestehendes Grabstellen-Ensemble ein, das durch die ehemals von Schmuckgittern eingefaßten Grabdenkmale für die Familie Greiffenberg und für Ludwig M. N. G. von Brauchitsch gebildet wird. Alle drei genannten Grabmale sind künstlerisch bedeutend gestaltet und bilden, besonders betont durch die unterschiedliche äußere Form, einen spannungsreichen visuellen Höhepunkt innerhalb des Friedhofes.

Die rechteckige Grabanlage wird durch ein reich verziertes, vermutlich schwarz gefaßtes, schmiedeeisernes Gitter in neugotischen Formen umgeben. Das Gitter war, wie die erhaltenen Reste der Gitterbasis zeigen, gesockelt. Am Kopfende der Anlage steht mittig das eigentliche Grabdenkmal. Es besteht aus Standplatte, Sockel und dem monumentalen Kreuz mit Korpus aus weißem Carrara-Marmor. Das Kreuz ist hinten, im unteren Teil, durch einen geschwungenen, bronzenen Verbundanker zusätzlich mit dem Sockel verbunden, wodurch eine erhöhte Standfestigkeit erreicht worden ist. Als formale Vorbilder für das Grabdenkmal Frommel sind hochmittelalterliche Wege- und Triumphkreuze zu vermuten. Insbesondere bei

 

der Gestaltung des Korpus lehnte sich der Künstler in gelungener Weise an gotische Vorbilder gleichen Sujets an und kann als guter Kenner gotischer Plastik betrachtet werden. Der Künstlersohn und Laienhistoriker Frommel selbst, hat wie sein Sohn Otto H. Frommel es mitteilt, diese Anlehnung an historische Vorbilder bei der Gestaltung seines Grabmales gewünscht. Das genaue Studium historischer Vorbilder ist ein typisches Erkennungszeichen späthistoristischer Kunst, die eine stilistische Perfektion anstrebte und sich dadurch von der frühhistoristischen Kunst der Romantik erheblich unterscheidet.

Während die frühe Neugotik stärker Ausdruck einer allgemeinen patriotischen Aufbruchsstimmung war, und die Betonung des Religiösen eher im Hintergrund blieb, wurde der gotische Stil am Ende des Jahrhunderts zum künstlerischen Ausdruck des religiösen Bekenntnisses und gleichzeitig Bekenntnis zum monarchistischen Staat. So ist das Grabdenkmal für den Garnisonpfarrer und Hofprediger Emil Frommel sowohl ein bedeutendes Zeitdokument, als auch ein bedeutendes Werk späthistoristischer religiöser Kunst. Verstärkt wird der Wert des Kunstwerks durch den namhaften Künstler, den die Familie Frommels für den Entwurf des Grabmales verpflichtete.

Das Kreuz trägt an seiner rechten unteren Schmalseite die Signatur seines Schöpfers: Trebst, Leipzig 1897. Friedrich Arthur Trebst, geboren am 12. Juni 1861 in Lößnig bei Leipzig und gestorben am 27. August 1922 in Leipzig, war ein Schüler des bekannten Bildhauers und Schöpfers des Bonner Beethovendenkmals, Ernst Hähnel (1811-1891), an der Dresdener Akademie, wo er im März 1883 für sein thematisch auf die griechische Antike zurückgreifendes Relief "Aegeus erkennt seinen Sohn Theseus" einen Ehrenpreis erhielt. Seine weitere Ausbildung zum Bildhauer erhielt Trebst 1886/87 bei Fritz Schaper (1841-1919) in Berlin. Im Mai 1888 und nochmals 1893 reiste der Künstler nach Italien, wo er sich vordringlich in Rom aufhielt. Nach seiner Rückkunft ließ er sich in Leipzig als selbständiger Bildhauer nieder und spezialisierte sich auf Bauplastik und religiöse Plastik.

Reformkunst nach 1900

Das Grabmal für Olga Malcomess, geb. von Zieten (1852-1904), stellt stilistisch ein wichtiges Verbindungsstück zwischen der Kunst des Historismus und der Reformkunst nach 1900 dar.

Es ist eingebettet in eine großzügige gotisierende Gittergrabstelle, die auch die Gräber von Olgas Vater, Leutnant Hasso von Zieten (1820-1855) und des Ehepaares Major a.D. Friedrich Richard Stiehle (1824-1901) und Helene Stiehle, verwitwete von Ziethen (1821-1877), birgt. Im Zentrum der Anlage steht auf einem Sockel aus bräunlichem Granit die Figur einer in sich gekehrten Trauernden, gearbeitet aus - nach der vor geraumer Zeit unternommenen Restaurierung - strahlend weißem Marmor. 1908 schuf der Bildhauer Adolf Jahn (1858-1925), Schüler von Albert Wolff und Fritz Schaper, diese Skulptur. Jugendstilig fließende Linien in Kontur und Gewand und ein

sehr feines, idealisiertes Gesicht rücken die Figur stilistisch in die Nähe der Reformkunst. Vergleichbar in der stilistischen Entwicklung ist die hervorragend gebildete Trauernde am Grabmal für Frieda Hankh auf dem Neuen Dorotheenstädtischen Kirchhof in Berlin-Wedding, um 1907 geschaffen von dem Bildhauer Gerhard Janensch (1860-1933). Beide Bildhauer verschleierten mit der stilistischen Modifizierung ihrer Trauernden die Übernahme eines Figurentyps aus der Kunst des Neubarock. Seit etwa den 1870er Jahren gehörten die weiblichen Klage- und Trauerfiguren zu einem der gefragtesten Sujets der Grabmalskunst. Sie löste endgültig den trauenden Todesgenius, mit dem der Klassizismus den ephebenhaft schönen Todesgenius Thanatos als Verdränger des barocken Totengerippes gefeiert hatte, ab, und reagierte damit auf den Bewußtseinswandel in der gründerzeitlichen Gesellschaft, die die "sentimentale" Trauerarbeit als Aufgabe der Frauen sah. Die "schöne trauernde Witwe" oder die "jungfräulich verstorbene Schöne" wurden zum literarischen Motiv ("Der Tod und das Mädchen"). Inhaltlich sind als Vorbilder der Trauernden die Darstellungen von Klagefrauen auf antiken Sarkophagen (Klagefrauen-Sarkophag aus der Nekropole von Sidon) und auf mittelalterlich-französischen Grabtumben anzusehen. Im Formalen erinnern die Figuren mit gefalteten Händen auf den Grabmalssockeln (oft vor abgebrochenen Säulen oder Kreuzen) stehenden Trauernden an Verbildlichungen der am Kreuze Christi trauernden Muttergottes. Das zwar durch seine Innigkeit berührende, doch letztendlich profan wirkende Bild der Trauernden erhält so einen sakralen Hintergrund, der die Heiligkeit der Grabstelle betont.

Der Verfallstendenz in der Friedhofskunst versuchten angesehene Institutionen und auch die Künstler selbst entgegenzuwirken. Es entstand eine allumfassende Reformbewegung, deren Ziel die Entwicklung des "Reformgrabsteins" darstellte.

Auf dem Alten Garnisonfriedhof haben sich neben wenigen schlichten "Reformstelen" ohne bildhauerischen Schmuck, die die Abräumungen der 1960er und 1970er Jahre überlebten, zwei interessante Grabdenkmale erhalten, die jene von den Reformern geforderte Einheit von Architektur und Plastik illustrieren können. Die beiden vergleichsweise kleinen, zwischen 140 cm und 164 cm hohen Stelen, wurden in der Zeit des I. Weltkrieges errichtet.

Das ursprünglich von einem schlichten Grabgitter umgebene Grabmal für den jung umgekommenen Leutnant im Regiment Königs Jäger zu Pferde, Curt Kruge (1887-1914), zeigt eine gesockelte Granitarchitektur mit geschwungenem Aufsatz, der die auf Grabmalen schon seit langem bekannte Inschrift Die Liebe höret nimmer auf trägt. Den Hauptschmuck des Grabmals bildet jedoch ein aus dem Stein herausgeprelltes Relief einer knieenden, trauernden jungen Frau. Formal an die knieenden Trauerengel des späten Klassizismus angelehnt, besticht das Werk durch seine zarte, jugendstilige Kontur und den Liebreiz des Ausdrucks. Der Bildhauer des Reliefs ist nicht bekannt, die vermutete Autorenschaft des Schülers von Albert Wolff und Fritz Schaper, Fritz Georg Klimsch (1870-1960), noch nicht bestätigt. Die unterhalb des Reliefs unter einem eingeritzten "Eisernen Kreuz" und dem Namen des Verstorbenen eingetiefte Inschrift mit ihrem Hinweis auf den "Heldentod" Kruges, will nicht so recht zu dem friedlichen Bild darüber passen, entspricht aber der "scheinsinnfindenden" Auffassung der Zeit, die die Trauer patriotisch zu verbrämen suchte.

Haftet das Grabmal Kruge teilweise noch der vorreformistischen Kunst an, ist das ebenfalls im hinteren Bereich des Friedhofs gelegene Grabmal für Alfred Winckler ganz im modernen Sinne gestaltet, auch wenn anstelle des nun modischen Muschelkalksteins ein an den Rändern bossiert belassener, grauer Granitstein gewählt wurde.

In den Stein eingelassen ist ein flaches, hochrechteckiges Bronzerelief, das den Verstorbenen nach links gewendet, mit schrägem Halsabschnitt im Profil porträtiert, zeigt. Unter dem Halsabschnitt ist der Name des Verstorben mitgegossen, während die Inschrift im unteren Teil der Stele durch Verwitterung gänzlich weggewischt worden ist. Der Künstler, der das Porträtrelief Wincklers schuf, ist nicht bekannt.