Die Ausstellung ist seit dem 7. Dezember geschlossen.

Eine neue Ausstellung zum Thema 100 Jahre Ausbruch des I. Weltkrieges ist in Vorbereitung.

Voraussichtliche Eröffnung Mitte März 2015.

Vernissage 31. Oktober 2014
Ausstellung Steffen Blunk

AUSSTELLUNG 1. November - 7. Dezember 2014

Rede des Pfarrers i.R. Dr. Klaus Duntze zur Ausstellungseröffnung am 31. Oktober 2014:

 

GOTT MIT UNS?                                                                Klaus Duntze

 

Meine Gedanken haben sich an der Parole aufgehängt, die als Umschrift  in die Koppelschlösser aller Soldaten geprägt war: „Gott mit uns“. Sie hat eine alte Tradition: Schon seit Urzeiten ist ‚Gott ist mit uns` von der einen wie der anderen Kriegführenden Partei in Anspruch genommen worden; von der siegreichen als Bestätigung gewertet und im Dankgottesdienst mit dem ‚Te Deum‘ gefeiert, von den Unterlegenen und ihren Geistlichen allenfalls zum ‚Strafgericht Gottes‘ umgedeutet.  Es ist Prinzip, den Gegner zum Gottesfeind und Antichristen zur erklären und seine Vernichtung um Gottes, Allahs  - oder anderer Ideologien willen -  zu rechtfertigen. 1817 wurde der Spruch dem preußischen Staatswappen zugefügt, nach der Reichsgründung 1871 dem Wappen des deutschen Kaisers. Als 1847 das ‚Kastenschloss‘ eingeführt wurde, wurde die Umschrift „Gott mit uns“ fester Bestandteil und überdauerte die wechselhaften Perioden der Geschichte

Wir gedenken heute der 20 Toten, der Gefallenen des ersten Weltkrieges – Ihre Grabstätten haben Sie auf dem Rundgang vor unserer Gedenkfeier gesehen; ihre Namen sind bekannt, und manche deuten darauf hin, dass sie aus Familien stammten, deren Geschichte mit dieser Kirche und ihrer Tradition verbunden sind. Sie stehen für die Hundertausende deutscher Soldaten, die in diesem mörderischen Unternehmen, dem ersten Weltkrieg ihr Leben gelassen haben. Sind sie, deren wir heute mit Worten, Bildern und Musik gedenken, sind sie auch mit dem Spruch „Gott mit uns“ in die Schlacht und den Tod gegangen? Und welche Gedanken und Gefühle mögen sie damit verbunden haben? Wenn sie beim  Aufbruch in den Krieg sich noch von der allgemeinen Begeisterung, der Euphorie im Volk tragen ließen;  sind ihnen unter den mörderischen Erfahrungen auf den Schlachtfeldern Zweifel gekommen an der Überheblichkeit, an der Verlässlichkeit dieser Parole, ihnen auf den Leib geheftet? Wie sind sie gestorben? GOTT MIT UNS? Und soweit sie dieses Inferno überlebt haben, als Krüppel, als Desillusionierte, als Traumatisierte, als nun die Fragen durch die Tage, noch schlimmer durch die Nächte geisterte, wo denn dieser Gott gewesen und wo er nun abgeblieben ist? Mir ist immer eindrücklich die Szene in Wiecherts Buch „Das einfache Leben“,gewesen, wo der ehemalige Kapitän zur See von Orla den Pfarrer nach Gott fragt und zur Antwort bekommt: „Vier Jahre haben wir seinen Namen mißbraucht, nun wollen wir ihn vier Jahre verschweigen. Wir haben getötet, und nun wollen wir arbeiten…, nichts als arbeiten. Und dann wollen wir sehen, ob wir wieder würdig sind, seinen… Namen auszusprechen.“  Vielleicht, dass er sich dann wieder vernehmen lässt.

GOTT MIT UNS? Mich bewegt, dass angesichts dieser Erfahrungen  die vollmundige Parole unangefochten überlebt hat: Das Koppelschloss mit seiner Umschrift hat das Ende der Kaiserzeit und die Abdankung des Allerhöchsten Kriegsherrn überlebt. In der Reichswehr der Weimarer Republik wurde die kaiserliche Krone durch den Adler und das Eiserne Kreuz ersetzt, das III. Reich hat es sich zu Eigen gemacht, hat das Hakenkreuz  eingesetzt und den Adlerkopf von links nach rechts gedreht. Aber „Gott mit uns“ blieb (aber bei der Waffen-SS hieß die Parole „ Meine Ehre heiß Treue); Erst 1962 wurde in der Bundesrepublik die Inschrift durch ‚Einigkeit und Recht und Freiheit‘ ersetzt. (In den Koppelschlössern der bayerischen Polizeitruppen und der Feuerwehr findet sich die Parole bis heute.) (Die DDR hat für die Nationale Volksarmee das Koppelschloß neu gestaltet: Hammer und Sichel im Ährenkranz.)

Der Garnisonfriedhof  ist ein zwiespältiger Ort; er ist vorhanden, begehbar und erlebbar, aber nicht zu trennen von der Kirche, die nur sichtbar (als Symbol des deutschen Militarismus ) verschwunden ist. Aber virtuell ist diese Tradition sehr greifbar. Sie haben heute nicht nur die bescheidenen Grabstätten der der Soldaten aus dem 1. Weltkrieg gesehen, sondern auch die Monumente der Feldmarschälle, Admirale, Befehlshaber, hohen Offiziere;  sie alle aus Adel und Repräsentanten der militärischen preußischen Tradition. Die Garnisonkirche war ihre Kirche, gesättigt von den Emblemen dieser Geschichte; auch die Reichswehr der Weimarer Republik und nach ihr das Militär des III. Reiches hatte diese Tradition bruchlos fortgesetzt. Erst die Zerstörung der Kirche  und die Schleifung der Ruine hatte dieser Tradition ein Ende gesetzt, vom sozialistischen Teilstaat ohne Bedauern vollzogen.

Es ist die uralte Tradition des wehrhaften Preußen, die sich in dieser Kirche manifestierte, sich speicherte in den Personen und Familien des Adels, dem seit dem Großen Kurfürsten die Aufgabe oblag, das Land durch die Jahrhundert in den vielfältigen Kriegen und Konflikten zu verteidigen, auch unter Einsatz des eigenen Lebens. Es brauchte den Umbruch der Revolution und der Befreiungskriege, bis auch Bürgerliche Offiziere werden konnten und die Traditionspflege – bis hin zum Garnisonfriedhof - sich auch für sie öffnete. Die Liste der 20 Toten aus dem 1. Weltkrieg weist es aus: adlige Namen stehen neben bürgerlichen, aber alle waren dieser Tradition zugehörig.

Aber diese Tradition ist in der Katastrophe des 1.Weltkrieges zerbrochen.  Alle Versuche, sie zu bewahren, das GOTT MIT UNS auch in die neue Zeit zu übertragen, zeigt die Problematik dieses Versuches auf: sowohl die Reichswehr als auch die Wehrmacht bedienten sich der Garnisonkirche als ihres Gotteshauses; das ungebrochene Kastenbewusstsein zeigte sich in der Weigerung Seeckts, beim Kapp-Putsch gegen die revolutionären Freikorps vorzugehen: „Reichswehr schießt nicht auf Reichswehr.“

Die Ambivalenz dieses Standesbewusstseins zog sich dann durch das III. Reich, vor allem, nachdem die Streitkräfte auf Adolf Hitler als Führer und Oberkommandierender vereidigt worden waren. Die Eidestreue und „Wo Gehorsam Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht“ standen bei den Militärs gegeneinander, soweit sie nicht als überzeugte Nationalsozialisten diese Tradition auf ihrer Seite in Anspruch nahmen.

Aber die Überzeugung: GOTT MIT UNS, bekam eine neuen Bedeutung und Qualität  für die Inhaftierten nach dem gescheiterten Putsch am 20. Juli 1944. Vor dem Volksgerichtshof und im Gefängnis wussten sie sich von der Zuversicht  gehalten, dass Gott mit ihnen ist, auch in diesen Dunkelheiten, auch im Tode. Sie kennen, denke ich Dietrich Bonhoeffers Gedicht,  in der Zelle geschrieben: „Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist mit uns am Abend wie am Morgen, und ganz gewiss an jedem neuen Tag.“ Und in dieser Gewissheit ist Bonhoeffer auch in seinen Tod wenige Tage vor Kriegsende gegangen. Darin steht er stellvertretend für seine Freunde und die unzähligen Soldaten und Zivilisten, die aus Glaubensüberzeugung Widerstand geleistet und oft mit dem Leben bezahlt haben. Sie stehen in besonderer Weise in der Tradition dieser Kirche, die wir zu achten und in unsere Zeit fortzuschreiben haben.

Wenn wir uns den Bildern von Steffen Blunk zuwenden, sehen wir unter der schemenhaften Präsenz der Soldaten im ersten Weltkrieg den Krieg in allen Epochen und Erscheinungsformen bis hin zum Spielfeld in seinen Atempausen. Es ist die Gegenwart der Vergangenheit, die hier ‚augenscheinlich’ wird.  Die Gegenwart der Vergangenheit annehmen, ist keine Traditionspflege im traditionellen Sinne, wie sie in den unendlich vielen Traditionsvereinen gepflegt wird, wobei aus der Geschichte die Überlieferung gemacht wird, die das eigene, oft rückwärtsgewandte Geschichtsbild bestätigt. (Das lateinische Urwort tradere ist ambivalent, kann beides bedeuten: überliefern und verraten.) Dieser Friedhof  mit seinen 21 Gräbern, so anders als die Monumente der Militärs aus kaiserlicher Zeit,  mahnt uns, ihr Opfer  nicht zu vergessen und nicht zu missbrauchen, vielleicht, dass Gott dann wieder zu uns spricht. Der Zwiespalt zwischen der Absage an allen Krieg als Weg zum Frieden in der Welt und der Nötigung, mit Waffengewalt dem menschenverachten-den Terror zu widerstehen, bleibt uns heute nicht erspart. Und unsere Möglichkeiten sind erschreckend begrenzt. Aber gestatten Sie mir- bei meiner Profession – aus einem Lied zitieren, das 1978 unter der Angst vor einem Atomkrieg entstanden ist: Komm, Herr, segne uns, dass wir uns nicht trennen…Nie sind wir allein, stets sind wir die Deinen, Lachen oder Weinen wird gesegnet sein…. Frieden gabst du schon, Frieden muss noch werden, wie du ihn versprichst uns zum Wohl auf Erden. Hilf, dass wir ihn tun, wo wir ihn erspähen. Die mit Tränen säen, werden in ihm ruhn.
Hilf, dass wir ihn tun, wo wir ihn erspähen. Die mit Tränen säen, werden in ihm  ruhn.

Ich danke Ihnen, dass Sie mir zugehört haben.